Vorsitzende diskutiert im Umweltausschuss des Bundestages zu Erneuerbaren Energien

Als Sachverständiger des Deutschen Angelfischerverbandes DAFV und Mitglied im Bundesarbeitskreis Wasser des BUND, konnte ich durch die Einladung des umweltpolitischen Sprechers der Links-Fraktion, Angelfreund Ralph Lenkert, im Bundestag in einer Videokonferenz deutliche Wort vorbringen. Meine Ausführungen mit nachträglichen Ergänzungen sind in (Anlage 1) enthalten.

Note 5 der Bundesregierung in der Umweltpolitik!

Die EU-Kommission hat Deutschland gerade wegen der destruktiven Arbeit bei der Umsetzung der FFH-Richtlinie beim Europäischen Gerichtshof verklagt. Wir, der DAFV, hatten im Oktober in einem Hilferuf EU-Umweltkommissar Sinkevičius dazu mit Fakten zum Umgang mit den Fischen ermuntert.

Weiter besteht die Aussicht auf eine weitere Klage in einem Vertragsverletzungsverfahren (2020/2108 – C(2020) 1465 final) wegen nicht ordnungsgemäßer Umsetzung der Umwelthaftungsrichtlinie. Sie greift maßgeblich in alle Naturschutzrichtlinien ein. Dazu hatten wir als DAFV schon 2018 eine Beschwerde an die Kommission gerichtet. Mit der Gesetzesanpassung im Umweltschadensgesetz (USchadG) hat man das Thema vom Vertragsverletzungsverfahren bestimmt verfehlt.

Auch zur Wasserrahmenrichtlinie bereitet die Kommission in einem PILOTVERFAHREN das nächste Vertragsverletzungsverfahren vor. Wir informieren die Kommission regelmäßig über Vorgänge in Deutschland, damit sie nicht nur auf offizielle Stellen, die einen gewissen politischen Willen ausgesetzt sind, zurückgreifen muss. Im schlimmsten Falle haben es Bürger und Steuerzahler den Bundes- und Länderregierungen zu verdanken, dass in Deutschland nicht nur die Umwelt weiter zerstört wird, sondern sie zahlen womöglich noch die Zeche der Misswirtschaft rückwirkend bis 2015 mit täglich bis zu 2,5 Mio. € Strafe von der EU.

Die Umsetzung der RICHTLINIE (EU) 2018/2001 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen vom 11. Dezember 2018 ist dafür ein herausragendes Beispiel. Obwohl in den letzten 30 Jahren die Wasserkraftförderung keinen zusätzlichen Wasserkraftstrom erzeugte, aber weitestgehend damit die Wasserrahmenrichtlinie unterlaufen wurde und die Fischbestände in den Flüssen im großen Stiel geschädigt hat, setzt man aus Gewinnsucht, wohl auch durch maßgebliche Personen in Regierung und Parlament, auf weitere Wasserkraft.

Im geänderten Wasserhaushaltsgesetz steht in Drucksache BR 25/1/21 die Einfügung des § 11a:

(5) Die zuständige Behörde entscheidet über die Erteilung der Erlaubnis oder Bewilligung;

  1. innerhalb eines Jahres bei
  2. a) Errichtung und Betrieb von Anlagen zur Nutzung von Wasserkraft mit einer

Stromerzeugungskapazität von weniger als 150 Kilowatt, (Also bis in jeden Bach!)

  1. c) der Modernisierung von Anlagen zur Nutzung von Wasserkraft,
  2. innerhalb von zwei Jahren bei
  3. a) Errichtung und Betrieb von Anlagen zur Nutzung von Wasserkraft mit einer

Stromerzeugungskapazität von 150 Kilowatt oder mehr.

Kaum zu glauben die Begründung Seite 8:

Die Zulassung dieser „Stromerzeugungsanlagen“ ist im Bereich der Nutzung von Wasserkraft daher abzugrenzen von wasserrechtlichen Zulassungen, deren Schwerpunkt nicht bei der Erzeugung von Elektrizität liegt, sondern in der Schaffung der Voraussetzungen, damit überhaupt die erneuerbare Energie Wasserkraft zur Verfügung steht. Dies betrifft bspw. den Aufstau eines Gewässers durch Errichtung einer Stauanlage, die Entnahme von Wasser aus dem Gewässer sowie dessen Wiedereinleitung. Bei diesen Entscheidungen stehen Fragen der Gewässerbewirtschaftung, z. B. der Wahrung einer Mindestwasserführung und der Durchgängigkeit für Fische, sowie des Fischschutzes (vgl. §§ 33 bis 35 WHG) im Vordergrund. 

Laufen die Stromerzeugungsanlagen etwa ohne Aufstau und Wasserentnahme? Genau deshalb ist die Wasserkraft nach Umwelthaftung eine gefährliche berufliche Tätigkeit und ausnahmepflichtig.

Will damit der Gesetzgeber scheinbar die Fischhäcksler aus der Pflicht nehmen und die Prüfung der hohen Hürden von Ausnahmen nach § 31 (2) WHG (Art. 4 Abs. 7 RL 2000/60/EG) und die strafbewehrte Umwelthaftung umgehen? Der nächst Fall für den Europäischen Gerichtshof!

Dieses Ansinnen steht dem Europarecht, was dem zuständigen Umweltministerium spätestens seit 2019 nachweislich bekannt ist, entgegen. Der Gerichtshof (C-529/15) verweist unter Anhang III Nr. 6 der Umwelthaftungsrichtlinie 2004/35/EG „Wasserentnahme und Aufstauung von Gewässern“ auf diese „gefährlichen beruflichen Tätigkeiten“ , wozu er die Wasserkraft zählt, mit besonderer Strenge hin. Diese „beruflichen Tätigkeiten“ sind eine Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt, so der Europäische Gerichtshof.

Außerdem fordert die RICHTLINIE (EU) 2018/2001 in unter (45); die Kohärenz zwischen den Zielen dieser Richtlinie und dem sonstigen Umweltrecht der Union sollte sichergestellt werden. 

Die Bundesregierung hat, jedenfalls nach Ihrem Handeln zu urteilen, bis heute nicht wahrgenommen, dass die Wasserrahmenrichtlinie zu den Umwelt- bzw. Naturschutzrichtlinien gehört und wie diese der Richtlinie 2004/35/EG zur Umwelthaftung unterliegen. Davon ist auch das Wasserhaushaltsgesetz nicht ausgenommen. Trotz Vertragsverletzungsverfahren führt die Umwelthaftungsrichtlinie in Deutschland ein Schattendasein. Im Wasserrecht ist eine Freistellung von der Umwelthaftung nur über die Ausnahmebedingungen Art. 4 Abs. 7 RL 2000/60/EG bzw. § 31 (2) WHG möglich. Ausnahmsweise kann es nur eine Enthaftung geben, wenn ausdrücklich eine behördliche Entscheidung vorliegt, die eine Schädigung ermittelt hat und diese Schädigung mit der behördlichen Entscheidung in rechtlich zulässiger Weise sehenden Auges hingenommen wird. Am Beispiel Kostheim Main ist die Nachprüfung der Annahmen im Bescheid ratsam und dieser wäre längst zurückzunehmen ist. Der Planfeststellungsbescheid von 2010 lässt eine maximale Fischmortalität von 10 % zu. Tatsächlich stellt das Monitoring-Gutachten eine Mortalität von >50 % fest und die Anlage läuft immer noch (Video Anlage 4)!

Das wird mit der neuen Gesetzgebung konterkariert. Es wird zum finalen Fiasko in allen Fließgewässern führen und einige Investoren, wie bisher zu Millionären auch ohne Wasserkraftstrom durch Steuermodelle und andere Tricks machen. Fischtreppen, die nur in Ausnahmefällen, wenn überhaupt vorhanden, wirklich einen angemessenen Teil der natürlichen Fischwanderungsfunktion übernehmen und traditionelle Vertikalrechen ohne auffindbaren Weg flussabwärts, sind nach 20 Jahren Wasserrahmenrichtlinie immer noch die Normalität. Der viel benutze Begriff „Durchgängigkeit“ ist in der Praxis und den Bewirtschaftungsplänen in der Regel nicht mehr als eine Floskel und kann sowieso nicht durch frei fließende Flüsse ersetzt werden.

Erstmals hat diese Ungeheuerlichkeit der Politik zu einem Protestbrief aller großen Umweltverbände einschließlich DAFV geführt (Anlage 2). Zusätzlich hat der Deutsche Angelfischerverband DAFV ein noch tiefer gehendes Schreiben an die Fraktionen und die Umweltministerien gesendet (Anlage 3).

Ganz anders die Beschlüsse im EU-Parlament am 17.12.2020 zur Wassergesetzgebung. Es stellt fest, dass Wasserkraft zwar zu den Klimazielen von Paris beitragen kann, aber ist jedoch der Auffassung, dass dies nicht zulasten von Oberflächengewässern und des Schutzes von Lebensräumen gehen sollte, mit Blickrichtung Pumpspeicherkraftwerke.

Die Europaabgeordneten unterstreichen die Bedeutung der neuen Biodiversitätsstrategie bis 2030; weisen darauf hin, dass bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie für uneingeschränkte Übereinstimmung mit der neuen Biodiversitätsstrategie, den Naturschutzrichtlinien und anderen Umweltvorschriften gesorgt werden sollte, weil Flüsse und Feuchtgebiete die am stärksten bedrohten Gebiete sind, obwohl sie als die wichtigste Quelle von Ökosystemdienstleistungen gelten. Dabei gilt es die natürlichen Funktionen von Flüssen wiederherzustellen und Ökosysteme zu schützen. Ebenfalls fordert dass EP verstärkte Maßnahmen zur Verbesserung der Fischwanderung in der gesamten EU ein.

Deshalb fordert das Parlament die Kommission auf, bei der Verfolgung von Verstößen der Mitgliedstaaten unverzüglich strenge Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass alle Mitgliedstaaten die Wassergesetzgebung und insbesondere die Wasserrahmenrichtlinie sobald wie möglich, keinesfalls später als 2027, vollumfänglich einhalten. Weiter wird die Kommission nachdrücklich aufgefordert, bei Verstößen, die sich auf die systematische Verletzung der EU-Wasservorschriften beziehen, strikt und rasch zu handeln; ihre Ressourcen in Bezug auf Vertragsverletzungsverfahren im Allgemeinen und das EU-Umweltrecht im Besonderen aufzustocken. Deutlicher geht es wohl nicht. Die Verbände werden die Gesetzgebungsverfahren kritisch begleiten und notfalls, was allerdings schon absehbar ist, wieder bei der Kommission vorsprechen.

Gerhard Kemmler                                                                                                                                             07.03.2021

 

Anlage 1:  Beitrag im Umweltausschuss Bundestag 24.02.2021.pdf

Anlage 2:  Gemeinsamer Verbändebrief Kleinwasserkraft.pdf

Anlage 3:  Offener Brief DAFV Fraktionen Umweltausschuss.pdf

Anlage 4:  VHF Main Kostheim tote Aale 01.2021.mp4