Quo vadis – Wasserrahmenrichtlinie
Eine kritische Betrachtung von Gerhard Kemmler
1. Was ist ihr Potenzial
Die Wasserrahmenrichtlinie aus dem Jahre 2000 steht 2019 auf dem Prüfstand. Die Tragweite für die Wasserpolitik mit der Veröffentlichung vor 18 Jahren ist den wenigsten Behörden und Politikern, bedauerlicherweise aber auch nur wenigen Anglern bewusst geworden.
Trotz der erschreckenden Bestandsaufnahmen 2004 begannen manche Bundesländer erst mit dem ersten Bewirtschaftungsplan 2009 sich etwas ernsthafter mit der Richtlinie 2000/60/EG (WRRL) zu beschäftigen. Der Fischerei oder den Süßwasserfischen hätte in diesem Jahrhundert nichts Besseres passieren können, als dieser strategisch notwendige Rechtsakt der EU zum nachhaltigen Schutz der Wasserressourcen.
Die Richtlinie verlangte bis 2015 für die Wasserkörper einen guten ökologischen Zustand. Dieser ist für die Qualitätskomponente Fischfauna so definiert, dass der Artenreichtum und ein Fischbestand fast wie ohne menschliche Eingriffe in den Gewässern nachgewiesen werden musste. Heute ist der breiten Öffentlichkeit nicht mehr bewusst, was das für die Süßwasserfische bedeutet hätte. Der Fischreichtum in den Flüssen und dessen Nutzung würde die „Fischereierträge“ in der Aquakultur weit übertreffen und das in Bioqualität ohne Zufütterung und Medikamente. Nachhaltige Fischereierträge waren einst zwischen 150 und 400 kg pro Hektar und Jahr in Deutschlands Fließgewässern keine Seltenheit. Etwa 1/3 des Eiweißbedarfes der Bevölkerung wurde einst damit gedeckt. Freifließende Gewässer und auch Fische leisten einen enormen Beitrag zur Selbstreinigung von Flüssen. Dessen Qualität zeitversetzt das Grundwasser und damit das Trinkwasser bestimmen.
Fische sind dabei als letzte in der Nahrungskette ein wichtiger Bioindikator für die Wasserqualität. Deshalb sind Fische eine wichtige Qualitätskomponente der Wasserrahmenrichtlinie. Von diesen Zielen ist man heute wegen Missachtung der Richtlinie durch die Politik weit entfernt. Unmengen Querbauwerke mit und ohne Wasserkraft verhindern für die meisten Arten eine überlebensnotwendige Fischmigration bzw. vernichten Turbinen Millionen dieser Tiere. 7500 Kleinwasserkraftanlagen haben nahezu alle Flüsse in Deutschland für lächerliche 0,3 % des Strombedarfs ihrer ökologischen Funktion beraubt. Zudem ist die Stromerzeugung durch Wasserkraft wegen klimabedingt fehlendem Wasser rückläufig. Vermutlich wird der gesamte Wasserskraftstrom von derzeit 3 % in 2018 unter das Niveau von 1990 wegen Wassermangel zurückfallen. Nicht nur Wasserkraftglücksritter sind dabei alle Flüsse Europas restlos ökologisch zu zerstören, sondern auch die Binnenschifffahrt, sie steht ja heute bereits auf dem „Trockenen“, will Elbe, Oder und weitere Wasserstraßen durch Stauhaltungen „ertüchtigen“. An die Naturschutzrichtlinien und Fische denkt niemand. Aber es kommt noch schlimmer!
2. EU-Kommision auf Abwegen?
Man kann es kaum glauben, die EU-Kommission scheint die WRRL und die FFH-Richtlinie, wenn es um diese Kernthemen geht, nicht besonders zu interessieren. Sie reagiert auf die DAFV-Beschwerden 2014 und 2018 nicht wirklich. Sie verletzt sogar ihre Pflicht, indem sie nicht einmal, wie rechtsverbindlich festgelegt, binnen 15 Tagen eine Registrierung und Eingangsbestätigung den Einreicher sendet. Auch ist sie ihrer Pflicht spätestens binnen eines Jahres zu entscheiden und mitzuteilen, ob und wie es mit einer von BUND und Nabu 2017 eingereichten Beschwerde weitergeht, nicht nachgekommen.
Nicht mehr zu überbieten ist ein Leitfaden zu Wasserkraft in Natura 2000 1 der Kommission vom Mai 2018. In den vorgeschalteten Konsultationen konnte ich das Europäische Umweltbüro (EEB), ProNatura/Schweiz und die Grüne Liga bei der Abfassung von Stellungnahmen maßgeblich unterstützen. Im Namen von 15 Mio. Naturschützern und Anglern, heute „Living Rivers Europe“ erfolgte eine strikte Ablehnung dieses absurden Dokumentes. Es soll wohl als Alibi für die von der Kommission im „Klimawahn“ unterstützte Zerstörung der letzten naturnahen Flüsse Europas auf dem Balkan durch tausende meist sogar rechtswidrige Kleinwasserkraftanlagen dienen.
Wie bereits im mdr – Fernsehen berichtet, werden sie von den „Landesfürsten“ als Geschenke mit staatlicher Förderung für gute Freunde genehmigt. Folgende Zitate von Seite 60 des Leitfadens fassen die Rechtswidrigkeit von Wasserkraft in Natura 2000 zusammen. Dabei dürfte jedem Leser klar sein, dass Fließgewässerlebensräume, die durch Stauhaltung und Entzug der
Wasserdynamik vernichtet werden, nicht ausgleichbar sind. Ohne Ausgleichsmaßnahmen nach Art 6. 4 der FFH-Richtlinie kann es keine Genehmigung nach Naturschutzrecht geben.
Zitat: Außerdem können einige (Es gibt nur 5!) Lebensraumtypen und Artenlebensräume überhaupt nicht ausgeglichen werden, weil ihre ökologischen Merkmale nicht künstlich simuliert oder geschaffen werden können. Daher sollten sich die Initiatoren eines jeden neuen Wasserkraftentwicklungsprojekts schon sehr frühzeitig vor der Entwicklung eines Plans oder Projekts informieren, in welchem Umfang ein Ausgleich für
bestimmte Lebensraumtypen und Arten möglich ist.
Genau das trifft auf die 5 möglichen Fließgewässerlebensräume zu! Stiftet gar der Leitfaden zur Vernichtung von Lebensraum Anhang I der FFH-Richtlinie an, was bekanntlich die FFH-Richtlinie und das EU-Strafrecht, in Deutschland § 329 (4) STGB, nicht zulassen.
Scheinheilig steht im Titel: „In diesem Dokument wird der Standpunkt der Europäischen Kommission wiedergegeben. Es hat keinen verbindlichen Charakter“. Zynismus pur!
Auch die 2009 von den Wasserdirektoren der Länder (Beauftrage der Regierungen) erstmals formulierte Definition des Verschlechterungsverbotes, wie es dann von der Kommission dem EuGH „untergejubelt“ und im Weserurteil festgeschrieben wurde, spricht Bände. Es widerspricht dem Text und Sinn der Wasserrahmenrichtlinie, so wie es der Generalanwalt des Gerichtshofes in den Schlussanträgen richtig darstellte. Um einen Qualitätssprung in eine niedrigere Klasse einer Qualitätskomponente z. B . Fischfauna, das gilt als Verschlechterung, in einem 50 oder 100 km langen Wasserkörper, wie beispielsweise der Saale zu erreichen, kann man viele Wasserkraftanlagen installieren ohne, dass Änderungen an den Messstellen in Rudolstadt und Stöben zu bemerken sind. Es ist ja zudem keinerlei Durchgängigkeit vorhanden. Somit ist die Definition im EuGH-Urteil ein Freibrief für Einzelprojekte. Wen wundert es dann, wenn Juristen undGerichte, selbst das Bundesverwaltungsgericht (Weser-, und Elbeurteile) die Auslegung von EuGH-Urteilen mit Blick pro wirtschaftliche Interessen schärfen und die WRRL damit aushebeln.
3. Das Ende der Demokratie in der EU-Wasserpolitik?
Hinter verschlossenen Türen wollen gerade jetzt die Staaten durchboxen, dass ihre Vorschläge für einen schwächeren Wasserschutz besiegelt werden. Im Hintergrund wird das alles natürlich gelenkt von aggressiven Lobbyisten. Zitat BUND: Wenn es um den Schutz unseres Wassers ging, haben EU, Mitgliedsstaaten und Umweltorganisationen wie der BUND bisher kontrovers, aber immer vertrauensvoll zusammengearbeitet. Doch dieses Vertrauen ist nun erschüttert. Diesmal wurde weder der BUND noch eine andere europäische NGO (Umweltorganisation) einbezogen. Die Mitgliedsstaaten haben den guten Austausch aufgekündigt und die NGOs aus dem Prozess ausgeschlossen. Verhandelt wird nur noch hinter verschlossenen Türen. Und es geht noch dreister: Uns liegt ein offizieller Beschluss vor, dass keine Informationen mehr mit NGOs geteilt werden sollen!
4. Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie in den Bundesländern
Die 2019 fällige Revision der Richtlinie 2000/60/EG (Wasserrahmenrichtlinie-
WRRL) nimmt der WWF Deutschland zum Anlass und berichtet auf 156 Seiten 2 über den Zustand der Gewässer in Deutschland nach den Bewertungskriterien der Wasserrahmenrichtlinie. Da jedes Bundesland eigene Rezepturen zur Darstellung der Ergebnisse hat, muss man diesen zusammenfassenden Bericht, eine große Fleißarbeit des WWF, besonders würdigen. Darin ist zu lesen, dass einen „sehr guten“ oder „guten ökologischen Zustand“ gegenwärtig nur 8,2 % aller Wasserkörper aufweisen. Nur knapp 5 % der bewerteten Wasserkörper erreichen einen „sehr guten“ oder „guten Zustand. Die Hydromorphologie (Stau, Durchgängigkeit, Struktur) ist eine der Hauptursachen für die Verfehlung der Bewirtschaftungsziele in den Flüssen.
Doch diese offiziellen Zahlen bilden den tatsächlichen Zustand von Gewässern nicht so ab, wie erhofft. Erstens wurden in zahlreichen Ländern die Ziele durch abgeschwächte Referenzzustände der Fischzönose nicht richtlinienkonform bestimmt. Zweitens bilden die ein bis zwei Monitoringergebnisse im Oberflächenwasserkörper in der Regel nur den momentanen Gewässerzustand zwischen 2 Querbauwerken ab, die es im Durchschnitt alle 2 km gibt. Weil ja kaum ein Land an einer schlechten Ausweisung interessiert ist, werden sicherlich auch nur die besten Fragmente des Wasserkörpers beprobt. Unter diesem inoffiziellen Blickwinkel kann man davon ausgehen, dass der tatsächliche Zustand der Oberflächenwasserkörper noch viel, viel schlechter ist, als ausgewiesen.
Sehr geehrter Leser und Interessierte, helfen Sie durch Ihre Beteiligung an der Kampagne #ProtectWater (DAFV Webseite: www.dafv.de) mit, die Stellung der Wasserrahmenrichtlinie in der EU-Politik zu stärken. Denn außer den Angler- und Umweltverbänden wollen nahezu alle die Richtlinie aufweichen, was einer Abschaffung gleich käme. Nach Erscheinen des Fragebogens in deutscher Sprache wird eine fachlich fundierte Beantwortung als Muster für Experten zur Verfügung gestellt. Die Konsultation ist bis zum 4. März 2019 befristet. Bis heute sind 150 000 Stimmen registriert. Jede Stimme wird für den Schutz der Gewässer gebraucht! Bitte zeichnen Sie mit!!!
1 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:C:2018:213:FULL&from=DE
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.